AfD Kai Buddler
Nach der Spaltung auf dem Parteitag 2015 rutscht die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ (AfD) immer mehr nach rechts außen. Hatte die amtierende Bundesvorsitzende Frauke Petry noch mitgeholfen, ihren Vorgänger Bernd Lucke vom Chefsessel zu kippen, muss sie jetzt selbst versuchen, trotz extrem rechter Umtriebe in ihrer Partei intern als integrative Klammer zu wirken. Ihre Aussage, die Polizei müsse zur Not „auch von der Schusswaffe Gebrauch machen“, um Flüchtlinge an der Grenze zu stoppen, scheint für die AfD nur ein taktischer Fehler vor drei wichtigen Landtagswahlen im März 2016 gewesen zu sein. In einer anschließenden Umfrage legte die Partei bei ihren Stimmgewinnen trotz Petrys Aussage sogar noch zu. Mitte Februar 2016 sprach die AfD selbst von mehr als 20.000 Mitgliedern, täglich gingen etwa 30 Anträge in der Bundesgeschäftsstelle ein. Auch die Facebook-Notiz der AfD Parteivizin, Beatrix von Storch, wonach man an der Grenze auch auf Frauen und Kinder schießen könne, war der AfD nicht abträglich. Vielmehr sind die Ausfälle der Partei Ausdruck einer rohen Bürgerlichkeit, denn die Wählerklientel ist weit entfernt von dem, was lange Zeit als „Protestwähler“ am unteren Rand der Gesellschaft galt. Während die NPD gesellschaftlich stigmatisiert ist und in diesen Kreisen meist als nicht wählbar gilt, begibt sich die AfD wie in den 1990er Jahren die „Republikaner“ auf den Stimmenfang über den rechten Rand hinaus. Gerade bei dieser Thematik kann sie auf Zuspruch zählen. Die Studie „Rechtsextreme Einstellung in Deutschland 2014“ kam zu dem Schluss, dass jeder fünfte Deutsche ausländerfeindlich ist, besonders die Abwertung von Asylbewerbern, Muslimen sowie Sinti und Roma ist deutlich angestiegen. Mit der Flüchtlingsdebatte hat die Partei ein Thema gefunden, das für sie wie ein Magnet wirkt, gleichzeitig profitiert sie von dem Klima, das Bewegungen wie „Pegida“ vorbereitet haben. Spätestens mit der von ihr ausgerufenen „Herbstoffensive“ 2015 bildet die Partei in der Migrationsdebatte die rechte Speerspitze. Der ehemalige Vizevorsitzende, Olaf Henkel, spricht von der AfD inzwischen als „NPD light“. Er habe mitgeholfen, sagt Henkel „ein richtiges Monster zu erschaffen“. Bei der Partei herrschen ein dumpfes Freund-Feind-Schema und ein rassistisch-völkisches Denken vor, ihre Sprache verroht zunehmend bereitet damit den Boden für aggressive Drohungen und körperliche Attacken auf ihren Aufmärschen. Das von der AfD vehement betriebene Spiel mit der Angst vor Flüchtlingen ist ein Spiel mit dem Feuer in einem Land, in dem 2015 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und dabei verletzte Flüchtlinge im Vorjahresvergleich um mehr das Fünffache zugenommen haben. Auch wenn sich AfD-Politiker bemühen, das Gesicht der entstandenen völkischen Bewegung mit bürgerlichem Fadenschein zu verdecken, werden aus Brandreden Brandsätze, die Menschen das Leben kosten können.
NSU Kai Buddler
Hohe Erwartungen lasteten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede auf der zentralen Gedenkveranstaltung für die Opfer des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) im Februar 2012. Kurz zuvor war die Gruppierung öffentlich bekannt geworden – sie hatte 13 Jahre lang unbemerkt gemordet, Sprengstoffanschläge mit mehr als 20 teils lebensgefährlich Verletzten verübt und sich durch Banküberfälle finanziert. Merkel versprach den Angehörigen der zehn Mordopfer: „Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen“. Bereits zwei Jahre später beklagt Gamze Kubasik, die Tochter eines der von den Neonazis hingerichteten Opfer, Merkel habe ihr Versprechen nicht eingelöst, „die Behörden fahren fort mit ihrer Heimlichtuerei“. Besonders das Umfeld und das Netzwerk des NSU würden nur unzureichend ausgeleuchtet. Tatsächlich gingen die Sicherheitsbehörden im Jahr 2013 von einem Umfeld mit 129 Neonazis aus, das Berliner „Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum“ (apabiz) kam bei seinen Recherchen gar auf 200 Personen und beschreibt den NSU als „ein Netzwerk, ein System, das auch die umfasst, die die Morde und Anschläge unterstützt haben - ideologisch und praktisch“. Um dieses Netzwerk zu durchleuchten, nahmen bundesweit insgesamt sieben Untersuchungsausschüsse die Arbeit auf, sechs davon arbeiteten auf Landesebene. In Thüringen finden die Mitglieder des Ausschusses schon in ihrem ersten Abschlussbericht 2014 deutliche Worte. Dem Ausschuss scheint es nicht mehr vertretbar, „nur von „unglücklichen Umständen", „Pannen" oder „Fehlern" (…) zu sprechen. Im günstigsten Fall steht hinter dem festgestellten umfassenden Versagen vieler Akteure schlichtes Desinteresse am Auffinden der drei Gesuchten“, heißt es in dem Bericht. Die Fahndung nach den drei Untergetauchten sei ein „einziges Desaster“ und lasse „den Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen zu“. Auch die Aussagen im NSU-Prozess in München brachten nicht viel mehr Licht ins Dunkel, Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter bleiben zum Großteil Verschlusssache. Obwohl bislang mehr als 44 V-Leute im Umfeld des NSU bekannt sind, geht den Geheimdiensten der Schutz ihrer Quellen vor den der Opfer. Wenn also Merkel im Februar 2012 erklärte, „alles in den Möglichkeiten unseres Rechtsstaates Stehende zu tun, damit sich so etwas nie wiederholen kann“, straft die Wirklichkeit sie inzwischen Lügen.